Südtirol


Südtirol - uraltes Weinland, Grenzland, Durchgangsland. Weine, die die Aromen des Nordens mit dem mediterranen Süden vereinen.


Lagrein



Die "internationalen" Rebsorten wie Chardonnay, Sauvignon, Cabernet, Pinot - Noir haben viel dazu beigetragen, Südtirols Image in Sachen Wein Ende der 80er Jahre aufzupolieren. In den letzten Jahren erlebt aber der  vor allem der Lagrein, eine autochthone, charaktervolle Rebsorte, die in der Landeshauptstadt Bozen ihre Wurzeln hat, eine wahre Renaissance. Früher häufig als "Kretzer" roséfarben ausgebaut oder mit dem süffig leichten Vernatsch verschnitten, wird Lagrein heute rebsortenrein von vielen Winzerbetrieben auch als Riserva mit langer Fasslagerung angeboten.
Wie schmeckt Lagrein ? Auf dem Verkostungsprogramm standen 5 Kandidaten. Um eine gewisse Bandbreite zu haben, wählte ich Weine aus drei Jahrgängen (´05/´07/´08), 2x Genossenschaftsweine, 2x renomierte Privatwinzer, 1x Klosterkellerei, Preise zwischen 15,90€ und 22,90€ und verschiedene Regionen: 1x Meran im oberen Etschtal, 1x Bozen, 2x Eppan, 1x Kaltern. Zur Orientierung hier ein link auf die interaktive Weinkarte Südtirol.
  1. „Segen“ Lagrein Riserva 2007 Weinkellerei Meran (13,5% / 15,60€) Wein aus der Toplinie der aufstrebenden Kellereigenossenschaft in Meran, die qualitativ Anschluß sucht an die Spitzenbetreibe südlich von Bozen. Warmer, kirschduftiger Wein, Tabakwürze, leichte Vanillesüße, feingeschmirgeltes Tannin, mundfüllend, über 3 Tage ein kräftiger, harmonisch ausbalancierter Wein. 92/100  = mein Favorit des Quintetts.
  2. "Mantsch" Lagrein Riserva 2007 Kellereigenossenschaft Schreckbichl/Colterenzio (13,5% / 15,90€) Große Genossenschaft mit 287 Mitgliedern und insges. 315 ha Rebfläche, ein bekannter Betrieb und unter Luis Raifer seit den 70er einer der Qualitätspioniere. Der "Mantsch" ist aus der  Praedium Linie, für die Lesegut von ausgesuchten Einzellagen rund um bekannte historische Ansitze und Weinhöfe gesondert gekeltert wird. Kein Fetter, klare Frucht, etwas Vanille, etwas Schoko, etwas Tannin, von allem etwas, wirkt dadurch aber auch etwas langweilig, mainstreamig. Hält am dritten Tag ein schönes Kirscharoma, baut aber auch ab. Appetitanregende Säure bereitete aber immerhin auf ein schönes herzhaftes Abendessen vor. 87/100
  3. "Abtei Muri" Riserva 2007 Lagrein Klosterkellerei Muri-Gries (13,5% / 22,90€) In Italien hochdekorierer Wein (3 Gläser Gambero Rosso, 5 Trauben im Duemilavini) aus dem bekannten Benedektinerkloster in Gries bei Bozen, dem Stammland des Lagrein. Feindifferenzierte Kräuternase, sehr elegant im Auftritt, Nase und Gaumen wirken wohlabgewogen, die Mönche geben kein lautes Frucht- und Gerbstoffkonzert. Am zweiten Tag interessante „helle“ Nase, fast wie ein reifer Apfel, auch Karamellbonbon, sehr transparent. Lagrein für Fortgeschrittene. 91/100
  4. "Rubatsch" Lagrein Manincor 2008 (13% / 15,90€) Spektakuläre, mit viel Geld vor einigen Jahren von Michael Graf Goëss-Enzenberg wiedererweckte Kellerei mit Blick auf den Kalterer See. Hier wird mit großem Aufwand biodynamisch produziert. Zu Beginn rauchige (Barrique)nase, im Mund packende frische Frucht, eingewickelt in herzhafte Säure. Erinnert im ersten Moment an einen kräftigen, "nordischen" Spätburgundertyp, etwa von Stodden an der Ahr. Herzhafter Wein, aber kein fetter Schmelzer, delikate Finesse. Hält sich auch nach 3 Tagen noch gut…89/100
  5. "Lagrein Gries" Riserva 2005 Josef Niedermayr Girlan (13% / 21,90€) Traditionsbetrieb aus Girlan südlich von Bozen. Sehr dunkelfarbig, kaum Anzeichen von Reife. Tiefer Duft nach Cassis und Kirsche, dazu Tabak, sehr bordeauxesk. Kraft im Mund, straff, noch deutliches Tannin. Herb, saftig, appetitlich, speichelfordernd. Keine Barriquesüße. Anspruchsvoller, kompromissloser Wein. 90/100

    Weitere Südtirolweine folgen: der exotische Gewürztraminer, die "internationalen" Flagschiffe aus Cabernet, Bergriesling etc.

    Südtiroler Rebenromatik:
    Schloß Englar in Eppan,
    im Hintergrund Girlan bei Bozen.




    Gewürztraminer

    Hochduftig, cremig, viel Alkohol:
    Das flüssige Gold der Alpenetsch

    Eine Spezialität aus Südtirol: Gewürztraminer - das flüssige Gold der Alpenetsch ! Das Dorf Tramin reklamiert für sich, die Heimat dieser Rebsorte zu sein, die so hochduftig-aromatische Weine hervorbringt. Tramin liegt im sogenannten Unterland südlich von Bozen jenseits des Kalterersees, schon kurz vor der Salurner Sprachgrenze und damit am Ende Südtirols. Da geht es schon sehr mediterran zu, sozusagen eine vorgezogene Toskana. Es ist nicht mehr weit bis zum Gardasee, wo schon Goethe begann, seine Italienpoesie zu entfalten. Wie schmeckt Südtiroler Gewürztraminer ? Die Antwort gibt hier nicht wie beim Lagrein eine Parallelverkostung, sondern es spricht ein einziger Vertreter, allerdings ein Klassiker, ein seit Jahren hochdekorierter Wein, neben dem Kolbenhof von Hofstätter und einigen anderen ein Benchmark für Gewürztraminer aus Südtirol. Und er kommt direkt aus dem Zentrum des Geschehens, aus Tramin.

    "Nussbaumerhof" Gewürztraminer 2009 Genossenschaftskellerei Tramin (14,5% / 17,99€ vor Ort, sonst bis 24€). Der Nussbaumer ist die beste Gewürztraminerlage der Genossenschaft aus über 400 m Höhe. Goldgelbes Leuchten im Glas, ein wahrer Duftstrauß von Aromen, immer wieder neuen Nuancen. Man denkt es ist süß, es riecht auch irgendwie süß, es ist aber gar nicht süß. Wobei man immer das Gefühl hat, daß da noch immer irgendwas drin ist, was nicht aus Trauben gemacht ist. Starkes (Frauen)parfüm,  Anisbrot, reife Banane, Honig, Zimt, kandierte Nüsse, Duschgel. Im Mund sehr cremig, der hohe Alkohol ist da, "kratzt" aber nicht. Hat so Wein früher geschmeckt ? Der Honigwein, das Met der Germanen ? Der Orgienwein der Römer ? Das aromatische Konzentrat läßt einen jedenfalls über die Frühzeit des Weines sinieren. Ein solch körperreiches Gewächs, wie von Rubens gemalt, ist natürlich nix für nur Riesling - Trinker. Die schrecken vor sowas zurück, denen fehlt die Säure. Und Frische  ist hier auch beim besten Willen nicht zu attestieren. Weine wie der Nussbaumer gehören aber auf jeden Fall in die große Welt faszinierender Weißweine. Wichtig beim "Verzehr": Nicht schnell wegkippen, langsam aus dem großen Glas inhalieren und bloß nicht zu kalt. Erst mit zunehmender Temperatur entfalten sich die differenzierten Genußaromen. 94/100


    Kellerei Tramin: Neuer Verkostungsraum



    Vinschgauriesling

    Nach dem wuchtigen Gewürztraminer (Südtirol 2 hier) mal was leichteres, luftigeres. So zumindest der Plan, der dann aber doch nicht ganz aufging.
    Ein Riesling aus dem Vinschgau, dem Val Venosta. Das liegt wahrlich nicht mehr im mediterranen Unterland, sondern oben im Etschtal, hinter den letzten Palmen von Meran. Da sind die Berge ringsum schon richtig hoch, viele über 3000 Meter, am Horizont steht das Ortlermassiv. Rebland ist das an den sonnigen Hängen hier schon von alters her. Vieles wurde aber zugunsten der Apfelproduktion aufgegeben. Erst in den letzten 10-20 Jahren gibt es eine Qualitätsweinrenaissance im Vinschgau. Keine große Genossenschaften, hier dominieren kleine Winzer, die Höhenlagen rekultivieren und an individuellen Qualitäten tüfteln. Eine weitere Besonderheit: Man setzt stark auf den guten alten Riesling, für Südtirol immer noch eine exotische Sorte. Insgesamt gibt es davon nur 52ha,  = ca. 1% der gesamten Anbaubfläche.
    Rieslingpionier (seit ´95) und immer noch bekanntester Wegbereiter ist Franz Pratzner aus Naturns. Er bewirtschaftet 7ha, ist neben Riesling auch für seinen Blauburgunder bekannt. Hier ist Holzreife angesagt, die Weißen legt er in Akazienholz. Beschreibungen seiner Weine bei Stuart Pigott ("Wilder Wein") haben mich neugierig gemacht, und so war klar, daß ein Falkenstein Riesling ins Glas mußte.



    Falkenstein Riesling 2009 13,5 % Franz Pratzner / Naturns (13,5% / zwischen 18€ und 20€) Im Glas sattes goldgelb, dichte, vollströmende Nase, reifer Apfel kämpft mit einem kleinen (Spotan)stinker, dieser Riesling verspricht schon beim ersten Kontakt Charakter und Eigensinn. Der Duft ist geprägt vom oxydativen Ausbau und hat richtige Bassnoten, vor allem am dritten Tag: Gemähtes Heu, auch Orangeat, getrocknete Apfelringe, ein ganzer Strauß, ein Nasenwein. Im Mund kein leichtes, frisches Wässerchen. Ein Kraftriesling, cremige Physik mit Druck und Dichte. Dezentes Süße/Säure-Spiel, mehr aber ein Volumenriesling, keiner der über Frische oder Fruchtsüße punktet. Einer von denen, die einen auch bei Tisch einen Roten nicht vermissen lassen, der verträgt auch Fleisch und Würze. Verkostet über 4 Tage, bis zum Schluß ein individueller Genuß.

    Das Revier des Falken:
    Blick ins Vinschgau, hinten im Talgrund Naturns

    Weißburgunder und Muskateller



    Auf der Suche nach Südtiroler Frische ! Nach Weinen kühl wie ein quellklarer Bach, duftig wie eine Bergwiese im Mai. So waren, bei allem Genuß, weder der verkostete Gewürztraminer noch der Vinschgauriesling.
    Aber Südtirol kann auch das. Als Beispiel ein Weißburgunder, mit knapp 10% Anteil an der Gesamtrebfläche eine wichtige Weinsorte in Südtirol. Und eine köstliche Spezialität, eine autochthone Sorte Italiens, spätreifend und frostempfindlich: Der hocharomatische Goldmuskateller/Moscato Giallo.

    "Strahler" Weißburgunder 2009 Stroblhof / Eppan (13,5%/ca.10€) Kleines Weingut in St. Michael/Eppan mit nur 4ha Anbaufläche. Hotel und Weingut Stroblhof liegt in bevorzugter Rand- und Höhenlage (500m) des Weinhanges, der sich von Eppan bis Kaltern zieht (sog. Überetsch) direkt unterhalb des Mendelkammes. Da weht, wenn es unterhalb schon sehr heiß ist, immer noch ein kühles Lüftchen. Das Sortiment ist klein aber fein. Der bekannteste Wein des Gutes ist der Strahler, zu 90% aus Weißburgunder, die 10% teilen sich Chardonnay und Grauburgunder.
    Der Wein setzt ganz auf die Frucht, allerdings, dem Hasustil entsprechend, nicht dick und vordergründig, sondern mit Finesse. Zarte Aprikosennase, im Mund belebt saftige Säure, gerade soviel wie nötig. Der recht hohe Alkohol (13,5%) bleibt völlig im Hintergrund. Anspruchsvolle Erfrischung, der gesamte Vor-Ort Einkauf wurde schon während der Osterwoche in Südtirol "weggesüppelt". 91/100 
    Moscato Giallo 2010 Manincor / Kaltern (12,55 7 10€) Spektakuläre, mit viel Geld vor einigen Jahren von Michael Graf Goëss-Enzenberg wiedererweckte Kellerei mit Blick auf den Kalterer See. Hier wird mit großem Aufwand biodynamisch produziert. Der moderne unterirdisch angelegte Keller sieht aus wie die Kulisse aus einem James Bond - Film der 70er Jahre. Verkostet wurde schon der Lagrein des Hauses (klick hier).
    Auf der Suche nach Frische im heißen Frühling jetzt aber der Goldmuskateller. Auch hier kein Qualm, kein Schwulst, die typischen Muskatellernoten scheinen gezähmt, er kommt so wie der Strahler zart, mit frischfruchtiger Säure daher. Der Wein ist, eher untypisch, vollkommen trocken ohne Restzucker ausgebaut. Ein Trendsetzer für einen modernen ganz auf Frische und Mineralik setzenden Goldmuskateller. 89/100 
    Goldmuskateller 2009 Kellerei Tramin (11% / 7€) Klassischer Stil mit Restsüße, sehr aromatischer Schmeichler aus dem warmen Unterland, leicht, weich und zart, Melone, Blümchen, sehr süffig, hat was deutlich feminines. 88/100

    Hier wächst der "Strahler":
    Stroblhof-Rebhang direkt unterhalb des Mendelkamms in Eppan
    Alter Herrensitz und neuer unterirdisch angelegter Keller.
    Manincor ist ein Anlaufpunkt für Wein - und Architekturfreunde




    Im Glas ein origineller Wein aus Südtirol:


    Die Genossenschaftskellerei Schreckbichl in Girlan bei Bozen ist unter ihrem Geschäftsführer Luis Raifer seit den 70er Jahren in Sachen Qualität ein Trendsetzer in Alto Adige. Die "Pfeffertraube", eine Spielart des Goldmuskateller, ist eine regionale Spezialität. Schreckbichl ist der z.Zt. einzig verbliebene Produzent.
    Sehr hell in der Farbe, fast weiß mit grüngelben Reflexen. Besonders "pfeffrig" oder generell würzig, wie es manchmal beschrieben wird, fand ich den Südtiroler eigentlich nicht. Stattdessen schon in der Nase und dann auch im Mund intensive Frische. Leicht, aber auch sehr spritzig, ein quellklarer Gebirgsbach weckt die Sinne. Auch was für Rieslingfreunde, der Wein "läuft"...



    Vernatsch


    Herrlicher Schlotzer, aber wichtig:
    Nicht zu warm trinken !

    Bevor es den dicken "Internationalen" an den Kragen geht, ein kleines Zwischenspiel mit dem traditionellen (Rot)wein aus Südtirol: Der urige Vernatsch. Der Farnatzer oder Vernetzer – so der ursprüngliche Name dieser autochthonen Rebsorte, die am Ende des Mittelalters erstmals schriftlich erwähnt wird und seit dem 16. Jh. eine zentrale Rolle im Südtiroler Weinbau spielt.
    Von jeher der Wein der Bauern, der Zechwein, der Wein zum Törggelen und der Wein, der seit den 60er Jahren den Südtiroltouristen vor allem als Kalterersee oder St. Magdalener der Inbegriff des Urlaubsweins war und heute eigentlich immer noch ist. Über 20% der gesamten Anbaufläche sind noch mit Vernatsch und seinen Spielarten Grauvernatsch und Edelvernatsch bepflanzt. Und gegen einen süffigen, leichten Schlotzer ist ja auch gar nichts einzuwenden. Der beschwert nicht so und man  ist auch nach einem halben Liter noch voll einsatzfähig. Auch oben auf den Almen und Jausenstationen wird ja viel Wein getrunken, und da bekommt man in der Regel im roten Bereich einen Vernatsch in die Karaffe.
    Unter dem Namen läuft natürlich auch viel Masse, einfachste Flachlagenweine werden in (Zwei)literflaschen gepresst. Lässt man dem Vernatsch von der Leine, neigt er zu satten Erträgen, er wirft Trauben ab in karnickelhafter Zügellosigkeit. Das ergibt blasse Weine, aber es gibt natürlich auch seriöse Qualitäten. In diesem Sinne wurden zwei Kandidaten verkostet. Der Vernatsch der Klosterkellerei Muri - Gries bei Bozen und ein Eigenbauwein engagierter Weinfreunde aus Schenna bei Meran:
    • Vernatsch Schenna 2010 "von Philipp, Georg und Klaus" (13% / 5,90€) Eine Rarität, ein Eigenbauwein von drei Weinfreunden aus Schenna bei Meran. Allein für die Farbe mag man ihn schon, klassisch-heller Vernatschton. Herzhaft-floraler Duft, angenehm weiches Mundgefühl, soft aber nicht langweilig. Hat durchaus einen festen Kern mit erfrischender Säure, der die Trinkbarkeit befördert. Hier klicken, man sieht Bilder der Weinmacher, des Weinbergs und der Vinifikation. 88/100
    • "Grauvernatsch" 2009 Klosterkellerei Muri Gries (12,5% / ca. 7€) Hier ist schon richtig Musik drin. Wieder diese herrliche kardionalsrote Robe. Kräftige resche Kirschnase, man könnte bei einer Blindverkostung auf einen Spätburgunder tippen. Zu Beginn saftige Säure -  in reife Frucht gebettet. Dann auch Schoko, Bittermandel, Würze. Für einen Vernatsch recht stoffig. Die Überraschung am zweiten Tag: Der Wein legt zu, schmeckt auf einmal nach süßen Edbeeren, macht richtig auf und füllt die Gläser und Gaumen. 91/100
    Da wächst Vernatsch:
    Klassische Pergelerziehung über Meran




    Cabernet & Co.


    Südtirols Weinrenaissance basiert stark auf der Erzeugung von Weinen aus sog. internationalen Rebsorten. Die hatten zwar zum Teil schon eine gewisse Historie dort, man setzte aber seit den 70er Jahren vermehrt auf Cabernet - Sauvignon und Merlot, bei den Weißen auf Cabernet -  Sauvignon und Chardonnay, um neben dem "Zechwein" Vernatsch auch im veredelten Bereich etwas vorweisen zu können, ganz ähnlich wie z.Bsp. zur gleichen Zeit in der Toskana mit den Supertuscans. Man wollte weg vom bäuerlichen Törggelenschlotzer, sich international positionieren, Südtirol sollte in die Welt, Exportmärkte erobern. Ein Benchmark, ein Gipfelpunkt, auch preislich, ist immer noch Lageders Cor Römigberg (eine Verkostung mit schönem Bericht hier bei Dirk Würtz).
    Ich griff zu anderen Vertretern, vor Ort wurden zwei rote Cuvées besorgt: Der Arzio von Baron di Pauli und der Amistar von Sölva. Dazu brachte ein Weinfreund noch sehr passend einen Cabernet der Kellereigenossenschaft Kaltern aus der Selektionslinie Campaner mit in die Verkostung ein.


    • "Campaner" Cabernet Sauvignon Riserva 2007 Kellerei Kaltern (85% Cabernet Sauvignon, 5% Merlot, 10% Cabernet Franc /  13,50 % / ca. 12€) Schon was Besseres von den Genossen aus Kaltern, dunkles Rubinrot, satte Farbe, auch schöne satte Nase. Reife Frucht, auch einiges an Schoko und Karamell drin, weicher saftiger Mundschmeichler, mittlerer Körper, auch am 2ten Tag noch frisch. Perfekt gemachter, vielleicht etwas glatter Cabernet. Für den Preis absolutes Schnäppchen. 91/100
    • "Arzio" 2006 Baron di Pauli Kaltern (50% Merlot, 25% Cabernet Sauvignon, 25% Cabernet Franc / 13% / ca. 30€) Seit über 300 Jahren befindet sich das Weingut Di Pauli in Familienbesitz. Im 19. Jahrhundert war der gesamte Kalterer See mal im Besitz der Familie Di Pauli, bis er 1901 an die Gemeinde Kaltern verkauft wurde. Auf dem Arzenhof  bereitet man seit 2003 unter dem Namen Arzio einen traditionellen Bordeauxverschnitt. Laut Manfred Lüer (Wein spricht Deutsch) die "vielleicht beste Rotweincuvée Südtirols", das hat natürlich meine Neugier geweckt. Leider ergab sich ein zwiespältiges Bild. Direkt nach dem Aufziehen seidige Pflaumennase, satter Körper, relativ weich, wohlabgestimmt, Gerbstoffe unauffällig, eher feminin, wie ein Bordeaux "vom rechten Ufer". Wirkte schon recht weit entwickelt, nicht sehr lebendig. Am zweiten Tag dann Amaronenase, der "Oxydativ" schlägt kräftig zu, zunehmend auch Bitterkeit, kein großer Genuß mehr. Am dritten Tag endgültig über den Berg, der Wein zerfällt und hinterlässt Ratlosigkeit. Möglicherweise liegts am Jahrgang. Laut Weingutsbeschreibung soll der Arzio nämlich "am Gaumen dichten Schmelz und ein festes Rückgrat" haben. Und für "ein langes Leben" vorbereitet sein. Auch angesichts des Preises deshalb nur 87/100.
    • "Amistar" Cuvée Rot 2007 VdT Peter Sölva & Söhne (30% Lagrein, 30% Merlot, 30% Cabernet Sauvignon, 5% Cabernet Franc, 5% Petit Verdot / 14% / ca. 25€) Ein historisches Weingut (die Ahnen waren spanische Einwanderer), offiziell im Jahre 1731 gegründet. Mit der Amistar - Linie gibt man sich hier besondere Mühe. Es wird spät und reif gelesen, darunter ca. 10% Trockenbeeren ( am Stock getrocknet). Während der Gärung dann Saftentzug von etwa 30% für stärkere Extraktion. Dichtes sattes Rot, undurchdringlich. Starke Nase: Tabak und Beeren, herb und süß zugleich. Im Mund zu Beginn ein "Tannintapezierer", der Wein reitet Attacke. Hat was ungezügeltes, wildes. Am zweiten Tag gerundeter, aber immer noch ein lebendiger Wein mit Tiefe und Frische. Kein Anzeichen von Müdigkeit,  auch am 4ten Tag noch Top. 93/100




    Bodenständiger (Wein)genuß
    Genußjause: Grauvernatsch-Schoppen und
    Vinschger Fladen mit Schinkenspeck
    Der Südtirolwanderer trinkt Wein! Allein schon deshalb haben Bergtouren dort ihren Reiz. Oben auf den Hütten und Jausenstationen ist der rote oder weiße Halbe aus der Karaffe obligatorisch. Das sind dann durchweg leichte und einfache Tropfen, trotzdem schmeckt das zu den urigen Gerichten natürlich sehr gut. Gerade wenn man ordentlich Höhenmeter in den Beinen hat. Eine authentische Bergküche gibt es noch, vor allem in familiengeführten Bergasthöfen. Speck, Butter, Käse ist häufig selbstgemacht. Überhaupt ist Südtirol durch die österreichisch/italienische Fusionskulinarik reizvoll. Der Trend geht zur Feinschmeckeralpe, z. Bsp. hier die Gompnalm (klick).
    Auch Sterneköche aus dem Tal übernehmen "Gourmetpatenschaften" für Berggasthöfe. In 2011 läuft im Raum Meran dazu die Aktion Sterne/Schlösser/Almen. Na, eigentlich ein Blödsinn, aber im Rahmen der Eventkultur wohl unvermeidlich. Und die Frage ist, wer da wen eigentlich (auch ökonomisch) befruchtet. Es soll wohl eher der kulinarisch interessierte Berggeher auf die Sternelokale unten im Tal aufmerksam gemacht werden.Mittlerweile gibt es auch einen Slow-Food Genußführer Südtirol. Da hört man aber, daß die erwähnten Betriebe zahlen müssen. Hier dazu ein Beispiel und eine weitere Lokalempfehlung (klick).


    Wer mal im Raum Meran unterwegs ist sollte den Hiaslhof in Videgg in 1540m Höhe oben am Schennaberg besuchen. Da werden ohne Tamtam, dafür aber mit viel Liebe und Können Standards der Südtiroler Bergküche aufgetischt: Speckknödelsuppe, Kasknödel mit brauner Butter (Bild oben), Apfelstrudel, Schwarzplentenkuchen etc.


    Ganz in der Nähe kann man sich auch mit Wein eindecken. In der Vinothek Mairhofer in Schenna (Bild oben) gibt es eine große Auswahl, incl. der Qualitätsspitzen (tägliche Degustationsmöglichkeit). Der "Weinklaus" ist ein kompetenter Ansprechpartner, er vinifiziert mit Freunden auch einen eigenen Wein (klick).


    Zum Abschluß der Südtirol - Posts nochmal was leckeres, sozusagen mein Südtiroler Weinideal. Auf dem linken Foto eine rustikale Speckknödelsuppe mit einem einfachen Schoppenwein oben auf dem Berg. In der Kombination und in diesem Moment ein geradliniger Genuß (so wie z. Bsp. hier)
    Rechts im Tal dann ein Südtiroler Klassiker, etwas feiner zubereitet: Schlutzkrapfen mit Spinat/Käse-Füllung, dazu ein frischer und lebendiger Chardonnay "Cardellino" von Elena Walch.