21.03.2014

Party-Rote

Superduftig, superfruchtig, supersüffig, supergeil...

Nicht immer nur analytisches Schlürfen, genaues Wägen, Einordnen und Normieren  - das ganze elaborierte Getue um den Wein hat zwar seinen Reiz, kann aber auch nerven. Es gibt Situationen, da geht es einfach um Menge, um Durchsatz, um die Befriedigung von durstigen Kehlen netter Menschen, die dem selbstreferentiellen Spiel um das Göttergertränk vollkommen unzugänglich sind. Ganz normale Leute, die einfach nur mal ein "lecker Weinchen" trinken wollen, oder auch zwei...
Und damit ergibt sich für den Weinfreak als Gastgeber ein Problem. Ganz aus der unteren Schublade darf man nicht einsteigen und irgendwelche Suffweine anstellen. Das würde auf einen zurückfallen. Wie gesagt, es geht um Leute, die zwar nicht in die Thematik einsteigen wollen, aber durchaus weinerfahren sind und schon wissen, was ihnen schmeckt. Der andere Fehler wäre, zu kompliziert aufzutischen und einzufüllen, womöglich verbunden mit langatmigen Erklärungen. Eine Gradwanderung also zwischen seriöser Qualität und unmittelbar trinkiger Genußzugänglichkeit, in den letzten Wochen gab es mehrfach die Gelegenheit, Party-Rote in diesem Sinne zu öffnen...




Zwei  aus "Übersee", immer eine sichere Bank für Leute, die richtig was im Glas und im Mund haben wollen, eingängige Spieler mit viel Primärfrucht und Kraft. 




Zwei Südfranzosen aus der Provence, auch in der Regel ein Treffer für Starkweintrinker. Beide Kandidaten präsentierten sich voll, viel Schmackes im Glas: Viel Wärme, Grenache-Schmelz, dunkle Frucht, Reife im Vindemio, der Paradis paradiert mit Frische und etwas Biß vom Cabernet.   



Ein etwas ausgefallenes Pärchen, für die Neugierigen am Tisch. Einmal ein Norditaliener aus dem Veltlin, ganz oben an der Grenze zur Schweiz. Mit 94PP hochdekoriert und der Teuerste hier in der Runde. Ein Sfursat vom Fuße der Alpen, hergestellt nach der Amaronemethode: Die Trauben trocknen 120 Tage lang in Holzkassetten, sie verlieren dabei bis zu 35 Prozent ihres Gewichtes. Dadurch erhöhen sich Zucker- und Alkoholgehalt. Viel Reife, Wärme, viel Alkohol, die Amarenakirsche im Glas. Sowas sollte nicht zu Beginn angeboten werden, kommt aber gut mit seinen likörigen Schmeicheleinheiten als Absacker.
Goldene Aufdrucktypographie, mattierte Flasche, so steht er da, ein Exot aus dem Libanon aus Cabernet, Syrah, Grenache, Merlot. Weinfreunde, die hier öfter lesen, wissen, da kommt viel Gutes her (Probenbericht hier). Der ´05er ist noch voll da, reichhaltig in Nase und Mund, kein ganz Lauter, hält Eleganz, Top-Schluck.



Ein Süditaliener und ein Kalifornier in enger Verwandschaft! Der Primitivo kam Mitte des 19. Jh. vom Absatz des Stiefels über den großen Teich und wurde dort zum Zinfandel. Um den entstand in der Renaissance des kalifornischen Weinbaus ein regelrechter Kult, Zin wurde zum flüssigen Inbegriff kalifornischer Lebens - und Genußart. Auch der Primitivo hat, zusammen mit anderen Rebsorten des Südens wie Negroamaro und Nero d´Avola, einen Aufschwung in der Beliebtheit genommen und geholfen, Teile des süditalienischen Weinsees zu leeren. Vor allem bei Freunden warmer, fruchtiger und gerbstoffgezügelter Weine. Insofern war dieses Duo in den Gläsern ein Selbstläufer. Der Masseria kann als der ideale Partyschluck gelten, frei nach Friedrich Liechtenstein: Superduftig, superfruchtig, supersüffig, superlecker, supergeil...
Der Zinfandel kommt aufwändiger daher, ein Hinkucker natürlich die Hippieflasche. Im Glas dann noch sehr schön, ich hatte erst Bedenken wg. der 8 Jahre, Zinfandel altern häufig nicht so toll, die Primärfrucht des jungen Weins ist oft einfach zu attraktiv. Der hier hatte allerdings nicht abgebaut, war vielleicht sogar der attraktivste Wein der ganzen Reihe hier. 




Die Roten aus dem Rioja sind für viele ein wichtiger Teil ihrer Weinbiographie, auch für mich standen die vom langen Holzausbau und Flaschenreife geprägten Tempranillos traditioneller Machart am Beginn der Weintrinkererei. Die Crianzaklasse bot für überschaubare Tarife viel Duft, Schmelz und Charakter. Auch heute gibt es da immer noch viel Stoff fürs Geld. Auch wenn Rioja in letzter Zeit vermehrt auf teure und hochgezüchtete Spitzen setzt und bei den Einsteigern mehr auf schnelle Frucht als auf Reife, wird man bei den Klassikern immer noch fündig. Der Canas kann was, für 17€ gibt es sanften Genuß ohne Hektik, der Wein beruhigt. Typische Nase aus Vanille und Orangenschale, auch im Mund gute Harmonie von feiner Süße, Fruchtsäure und würzigem Rauch.





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