31.08.2013

Genußtour ins Midi (4) Provence Pur...


Passend zum Sommer: Eine Genußtour das Rhonetal hinunter ins Midi. In diesem Jahr leider nur virtuell, ein anderes Ziel steht auf der Reiseagenda. Darum ist auch der vierte Teil ein (wein)genußreiches Puzzle, zusammengesetzt aus Reisen der letzten Jahre. Nach einem Aufenthalt in Lyon (klick) und einer Fahrt die Rhone herunter (klick), einem langen Abstecher nach Westen in das Languedoc und das Roussillon (klick) geht es nun von der Rhone gesehen nach Osten in die sonnenreichen Hügelparadiese der Provence bis hinunter an die Côte d’Azur.

Wein total in Rhone-Süd: Kreisverkehr in Valreas

Fährt man die A7, die Route de Soleil, in Richtung Süden, zieht es den Wein- und Genußfreund ab Avignon zwangsläufig runter von der Autobahn. Die Reben locken, Augen und Nasen öffnen sich und atmen Wein, Wärme und das Brüllen der Zikaden. Also Rhone-Süd. Das ist zuvörderst natürlich Chateauneuf du Pape. Die Ikone, das Eldorado, die goldene Stadt für Freunde des vollen barocken Weinerlebnisses. Von den sommerheißen, grobkieseligen Hügeln über der Rhone kommen einfach DIE Crus dieser Gegend. Gebührend gewürdigt habe ich die Päpstlichen schon in Teil 2 (klick).

Die reichhaltigen, sonnenverwöhnten Weine aus dieser Ecke sind allerdings auch im Einsteigerbereich charakterstarke Gewächse mit oft sehr gutem Preis-Genußverhältniss. In den Spitzen, aus den Village und Cru-Lagen, zudem von aufwändig arbeitenden Winzern, sind sie Weltklasse, markieren in gültiger Weise einen Weinstil für Leute, die vor Frucht und Wucht im Glas nicht zurückschrecken.

Blick vom Ferienhaus in Nyons,
das mit den grünen Schlagläden unten


Mittagsimbiss in Nyons

Im Herbst 2012 wohnten wir für eine Woche in Nyons direkt am Dorfplatz mit seinen schönen Arkaden. Auch da gibt es Wein, der Ort ist aber bekannter für seine Oliven mit eigenem AOC Status. Nyons liegt quasi auf einer Grenze. Direkt östlich wird es bergig in Richtung Hochprovence, bei allem südlichen Charme hat das hier auch schon eine leicht alpine Anmutung.


Von Nyons aus erreicht man ganz schnell die Weindörfer, die jeder Rhone Fan auswendig daher sagen kann: Vinsobre, Valreas, Cairanne, Rasteau, Sablet, Seguret, Vacqueyras und natürlich Gigondas. Im kleinen Dorfzentrum liegt dort der Caveau du Gigondas. Ich kam kurz vor der Mittagspause, es war nur eine knappe Viertelstunde Zeit zu verkosten. Außer mir im Raum eine Männerrunde aus Polen auf Weintour durch den Süden. Offen ist quasi alles, von ein paar Ausnahmen abgesehen, was in der AOC produziert wird.


Was nehmen? Ich entschied mich, ein paar 2007er zu verkosten. Leider passierte dann ein Mißgeschick, eines von der Sorte, welches man in so einer Situation gar nicht gebrauchen kann: Ich fegte mit lockerer Hand das Probenglas von der Theke, es fiel laut splitternd zwischen die kleinen Probenflaschen in der Kühlung. Peinlicher Moment, wurde aber sehr charmant von der hübschen Weinberaterin umspielt. Sowas kommt da möglicherweise öfter vor, die Rotweinbomben haben ja nicht selten Alkoholgrade von über 15%.


In Ruhe nachverkostet wurde dann oberhalb des Dorfes, es gibt unterhalb der Burgruine einen schön angelegten Kräutergarten mit Lehrpfad. Im Glas Domaine Paillère et Pied-Gû 2007.
Durchaus lohnend ist übrigens auch ein Besuch der Winzergenossenschaft in Cairanne. Da ist im Keller ein aufwändig gestalteter Parcours Sensoriel installiert, man kann fühlen und riechen etc. Gut gemacht mit allerlei Lichteffekten, der Eintritt ist gratis.


Von Nyons ist es auch nicht weit bis zur AOC Ventoux. Über Vaison-la-Romaine, Malaucène und Bedoin bis auf den Riesen der Provence sind wir mit dem Auto gefahren. In Bedoin war Markt, ein warmer Oktobertag. Doch trotz reizvoller Stände mit duftenden Würsten, Käse, dicken Nougatblöcken und allem was ein provenzalischer Markt so präsentieren kann, ging mein Blick immer wieder quer nach oben. Der Gigant thront quasi über der Ebene. Der kahle Gipfel ist von da überall zu sehen.


Unten in Bedoin waren es noch angenehme 20 Grad, hier oben nur noch knapp über Null. Dazu kam der enorme Windchill. Es wehte ein kräftiger Herbstmistral, der Wagen wackelte, oben auf der Kuppe war es unter Null. An den Metallkonstruktionen auf dem Gipfel bildete sich Eis. Aber der Blick war natürlich großartig.


Die Luft war ganz klar, kein Dunst, wie man ihn im Sommer dort oft antrifft. Nach Nordosten die Alpen, zum Südwesten das Rhonetal bis ins Languedoc rüber. Nach Süden für mich aber mit dem größten Augenreiz: Über einem schmalen dunklen Rücken im Mittelgrund, dem Luberon, glänzte am Horizont das Mittelmeer. Ziemlich genau die weite Bucht vor Marseilles mit den Inseln. Etwas nach rechts sogar die Industrieanlagen von Fos-sur-Mer in der Camargue und die Öltanker in der Ètang de Berre. Ans Meer kamen wir ja nicht in der kurzen Herbstwoche. Aber der Ventoux, der Mächtige, hatte uns immerhin einen wahrhaft weiten Blick dorthin ermöglicht.


Die AOC Ventoux mit ihren Rebflächen südlich des Berges hat in den letzten Jahren einen Qualitätsaufschwung gemacht, vor allem getragen von kleineren Winzern wie Sebastien Vincenti mit seiner Domaine Fondreche, Chateau Pesquie und vielen weiteren (klick).
Es sind kraftvolle Gewächse, die den Vergleich mit den Spitzen und Crus der Rhone nicht zu scheuen brauchen. Würzige-intensive Charakterdarsteller mit tiefdunkler Frucht, häufig mit maskuliner Rustikalität. Die Weine reiten in ihrer Jugendphase oft Attacke auf Nase und Gaumen, eine Alterung lohnt auf jeden Fall. Typische Gewächse also für Südweintrinker, und die soll es ja, trotz aller Betonung von Eleganz und Finesse, wie es gerade en vogue ist, durchaus noch zahlreich unter Weinfreunden geben.

Gigantis 2009, Spitzencuvée der Vignerons du Mont Ventoux
(14,5% / 16-20€) verkostet vor Ort im Ferienhaus

Weingeographisch wird Rhone-Süd ja gar nicht zu den Weingebieten der Provence hinzugezählt, obwohl wir uns natürlich dort eindeutig in der Provence tummeln. Die AOC Provence mit ihren diversen Untergebieten beginnt erst weiter östlich. Hier mal zur Orientierung eine Übersicht.


Provence - Kulturland, Genußland, Roséland! Die "Römische Provinz" mit ihren Arenen und Theatern: 2000 Jahre alt und immer noch fit und im Betrieb! Die Provence der Maler: Van Gogh in Arles, Cézanne an den Montagne Sainte Victoire bei Aix, Picasso begraben auf Chateau Vauvenargues. Die Provence der Sinne: Der Duft des Lavendels auf dem Plateau Valensole, das tiefe Blau der Cote d´ Azur.


Die Provence des Weines: Rosé, Rosé und nochmals Rosé. Der Anteil in den Provenceappellationen liegt bei über 70 %, so viel wie sonst nirgends in der Wein(bau)welt. Sie haben da eine Markenidentität geschaffen, ein Konzept, das seit vielen Jahren aufgeht. Jede Menge Rosé wird vor Ort vor allem in den Sommermonaten an der Küste zwischen Menton und Marseille getrunken. Und das nicht nur von Urlaubern, den sonnenhungrigen Auswärtigen. Der Rosé ist im Alltag fest verwurzelt, in den Regalen und auf den Tischen allgegenwärtig.


2010 hatte ich vom Ferienhaus in Les Issambres unten an der Küste einen guten Blick auf das Nachbargrundstück, bewohnt von einer französischen Oma (geschätzte 80 +). Jeden morgen stand um 8.30 zum Petit Dejeneur neben dem Croissant eine schlanke Flasche Rosé auf dem Tisch, aus der zwei Gläser geleert wurden.


Da wollte ich nun nicht zurückstehen und habe jede Menge Rosé probiert. Man soll sich ja an die Sitten und Gebräuche des Gastlandes anpassen, oder ? Und es geht einfach perfekt zusammen: Was sieht zum Blau des Wassers und des Himmels besser aus als eine Flasche Rosé ? Was streichelt sinnlicher die Zunge und erfrischt besser als diese Mischung aus Saft, Säure, Schmelz und Biß, die seriöse Provencerosés durchweg draufhaben. Das geht schon bei knapp über 5€ los, ab 8€ ist schon richtig Musik im Glas wie beim Bailly. Gerne gefüllt in der klassischen Flasche abgefüllt, ein Produktdesign, das wie bei Coca-Cola die sinnlichen Proportionen eines Frauenkörpers zitiert - purer Genuß...

Marketing - Kuriosum ICE TROPEZ, eine Art Weincocktail in Designerflasche. Er ist natürlich "Créé à St. Tropez", ein cleveres Erzeugnis der Domaine Tropez und mittlerweile international erhältlich, auch bei uns (hier)

Der Gendarm von St. Tropez in Rosé

Aber auch die "wahre" Provence, die Genießerprovence, die Wunschprovence für nordeuropäische Romantiker gibt es noch: Außerhalb der Zentren, in den im Reiseführer nicht oder nur am Rande erwähnten Orten und Gegenden im Hinterland. Ruhige Plätze unterm Platanendach, plätschernde Brunnen, buntes Gedränge zwischen duftenden Marktständen, das Klacken der Kugeln beim Petanque...


Und natürlich Weingüter, abgelegen, von der Hauptstraße weg. Die überraschen oft, wie die Domaine Grand Cros bei Carnoules. Auch da wohnten wir mal vor einigen Jahren. Charmant wurde bei einem Besuch eine kleine Degustation zusammengestellt. Hier geht es, wie man auch auf dem Foto sieht, recht sinnlich zu. Die Spitzenweine heißen "Nectar", die roséfarbenen Schaumweine "La Maitresse" und "La Rivale". Eine modern gemachte Basislinie wird unter dem Namen "Jules" vermarktet.

Einkauf bei Grand Cros: Der Reisewagen ist zwar schon voll bis unters Dach, aber 2 Kartons passen immer noch rein...

Weiter geht´s im Departement Var etwas östlich nach Draguignan. Das war mal unser Einkaufsort für größere Besorgungen im Sommer 2007. Wir hatten ein paar Kilometer weiter in Flayosc ein Ferienhaus gemietet. Draguignan hat eine alte Tradition als Garnisonsstadt, es geht dort immer noch recht militärisch zu. Die Stadt ist Sitz der französischen Infanterieschule und der französischen Artillerieschule. Am Ortsrand sind die Einrichtungen zu sehen, mit allerlei Kanonen davor.
Von da aus in Richtung Lorgue liegt die der Domaine Roubine, ein stattliches Weingut, wo direkt vom Rennrad runter verkostet wurde. Lorgues selbst ist ein schöner Marktflecken, Trüffelfreunden bekannt durch Bruno, den Trüffelkönig. Sein Restaurant "Bruno" etwas südlich des Ortes bekannt - natürlich - für seine ausschweifenden Trüffelmenüs. Die schwarzen Knollen werden großzügig über alles gehobelt, was die Küche verläßt, bis auf die Desserts.



Ein Pflichtort für Weinfreunde kommt kurz danach: Man sollte auf jeden Fall unten im Tal der Argens bei Les Arc das Maison des Vins aufsuchen. (Fast) alle Weine der Provence - Appellationen werden dort präsentiert und verkauft.
Ehe es an der Küste weitergeht, nochmal ein kleiner Abstecher nach Norden. Eigentlich auch ein "Muß-Ziel" für eine Provencereise ist Aix-en-Provence. Mit Aix verbinde ich einen Besuch im Jahre 2006, natürlich an einem Markttag. Sowas zieht Deutsche, Engländer und Niederländer ja magisch an. Der Markt verteilt sich, wie üblich, in den Gassen und Plätzen der Altstadt. 


Eine Pause haben wir uns dann im bekanntesten Café der Stadt gegönnt, im Deux Garçons am Cours Mirabeau, dem Laufsteg der Stadt. Wenn man da so sitzt und den hübschen Studentinnen zuschaut weiß man, warum Aix für die Franzosen zu den Städten mit der höchsten Lebensqualität gehört. Für Süßsüchtige ist schräg gegenüber eine wichtige Anlaufstelle: Die Pâtisserie Béchard lockt mit einer traumhaften Auswahl französischer Konditorenkunst und den berühmten Calissons d’Aix, ein Naschkonfekt aus Mandeln, kandierten Melonen und Orangen.


Ein Wein ganz aus der Nähe ist seit langer Zeit einer meiner Favoriten unter den Südfranzosen. Es war einer der ersten aus der Region, die ich überhaupt verkostet habe. Und das wirkt ja häufig nachhaltig und man hat dann ein Abo drauf für lange Zeit.
Es ist die "Cuvée Tradition" der Domaine Richeaume. Das Weingut liegt am Fuß der Montagne St. Victoire in Puyloubier. Da malte Cézanne, da wanderte auf seinen Spuren Peter Handke und da hat die Fremdenlegion eine Art Altersheim für Invaliden. In dieser eher betrüblichen Einrichtung war ich mal für eine Fotoreportage.
Doch zum Wein. Seit über 30 Jahren wird hier unter dem Patronat von Henning Hoesch nach streng ökologischen Kriterien Weinqualität erzeugt. Meinen ersten "Richeaume" trank ich 1997, es war der 93er, damals für 13,50 DM im Weinland Keiler (heute Mövenpick Weinkeller) gekauft. Körperreich, intensiv dunkelbeerig schon in der Nase, dabei angenehm mit viel Frische mundfüllend. Grenache, eingebunden in Syrah und Cabernet Sauvignon. Die Spitzencuvée heißt COLUMELLE, lohnend, einer der besten Weine aus der Provence aus Cabernet und Syrah.

Weinhügel mitten im Bandolgebiet: Klein aber fein...

Das Etikett der Domaine Le Galantine bringt es auf den Punkt:
Sonne, Reben, Meer

Zwei bekannte Unterappellationen und für viele sicher die beiden bekanntesten Weine der Provence liegen an der Küste: Bandol und Cassis.
Die Reben in Bandol haben Meerblick. Inmitten des Rosé-Sees in der Provence ist dies eine kleine AOC mit absolut hochklassigen Roten, bei deutschen Weinfreunden immer noch zu wenig beachtet und unterbewertet. Eine liebliche Hügellandschaft, urige Dörfer, Blicke aufs Meer, und Weinberge voller Mourvèdre. Die dickschalige und spät reifende Sorte gibt sich jung gern etwas zickig und spröde. Da wissen die fruchtweichen Weine, die ringsum im Süden Frankreichs auf Basis von Grenache/Syrah erzeugt werden, in ihrer Jugend oft besser zu gefallen. Bandol braucht also Zeit, die Weine profitieren sehr von Alterung. Zudem sind Bandols keine aufgespritzten Bodybuilder, keine plumpen Begeisterer. In der überschaubaren Appellation gibt es keinen zugespitzten Streit zwischen Bewahrern und Erneuerern, man bemüht sich durchweg um seriöse Qualitäten. Sicher gibt es Unterschiede in Qualität und Lagenpotential. Einige Erzeuger setzen auf Einzellagen, da geht es dann auch ins Geld. Doch selbst da bleibt es noch unterhalb von dem, was z. Bsp. heute für Top-Gigondas, geschweige denn für die Spitzen in Chateauneuf aufgerufen wird. Die regulären Gutsweine bleiben unter 20€ und das ist für solch einen Cru ein gutes PL - Verhältnis.

Bandolverkostung = Pflichttermin

Für Bandol gibt es zwei Anlaufstellen für einen Überblick: Einmal direkt in den Weinbergen bei Le Castellet das Maison du Vin Bandol (Foto oben) mit herrlichem Rundblick über die Weinberge bis hin zum Meer und in Bandol am Meer selbst das Maisons des Vins.


Weiter westlich an der Küste in der kleinen AOC Cassis dominiert der Weißwein, der Anteil liegt bei 80%. 12 Weingüter bauen auf 210 Hektar Fläche vor allem Marsanne und Clairette an. Die Weine sind duftig, frisch, sehr passend zur leichten Sommerküche mit viel Fisch.



Cassis ist zunächst ein kleiner Badeort mit einem malerischen Hafen, gebettet in eine relativ enge Bucht zwischen der steil aufragenden Felsküste. Östlich von Cassis fallen die Felsen am Cap Canaille bis zu 340 Meter steil ins Meer ab, die höchste maritime Klippe Frankreichs. Oben führt eine spektakuläre Straße längs, die Route des Cretes. Die bin ich mehrfach mit dem Auto gefahren, 1992 auf einer größeren Südfrankreichtour mit einem 200er Diesel.

Weiter Blick vom Cap Canaille im Jahre 1992: Unten die
Bucht von Cassis, im Hintergrund die
felsige Calanques-Küste in Richtung Marseilles

Wo sollte man noch hin, wo verbinden sich Wein und Landschaft an der Küste in beeindruckender Weise? Eine sichere Empfehlung ist ein Abstecher auf die Insel Porquerolles. Man erreicht dort den geographisch südlichsten Punkt der Provence. Eine kleine, der Küste vorgelagerte Insel mit einem besonderen Reiz. Obwohl es in der Saison vor Tagestouristen wimmelt, liegt ein Zauber auf dem Eiland. Flora und Fauna wirken fast karibisch, die Zikaden brüllen laut, an der Nordküste gibt es türkisschimmernde Buchten und Sandstrände, die Südküste fällt schroff und felsig ins Meer. Und über allem weht ein warmer Wind.


Für einen Tagestrip bewegt man sich auf der Insel am Besten mit dem Mountainbike. Am Hafen gibt es mehrere Verleihstationen. Ideal ist natürlich ein mehrtägiger Aufenthalt, gern in der Nachsaison. Entweder im legendären Luxushotel Mas de de Langoustier, einsam am Ostzipfel gelegen. Oder in einer kleinen Pension im Ort. Da kann man dann am Place d'Armes sitzen und Georges Simenons "Mon ami Maigret" lesen. Der spielt genau hier. Dazu natürlich ein Inselwein, in dem Krimi wird ständig ein Weißer getrunken.
Zwei Güter gibt es auf der Insel. Die Domaine de la Courtade, die vom Elsässer Richard Auther geleitet wird. Bekannt in der Gastronomie ist die günstigere Alycastre-Linie. Bei den Flagschiffen (La Courtade) gibt es einen sehr feinen Rosé, einen Weißwein aus der Rebsorte Rolle (Vermentino) und einen Roten aus Mourvedre. Das anderer Weingut ist die Domaine de l'Ile, immer noch im Besitz der Nachfahren von Jean-Francois-Joseph Fournier, ein belgischer Ingenieur, der in Mexiko reich geworden war. Ihm gehörte bis Ende der 1930er Jahre die gesamte Insel.

Auf Porquerolles nimmt man das Mountainbike:
Hinter Weindeuter der Plage de Notre-Dame 2006

Direkt gegenüber auf dem Festland hatte ich vor drei Jahren mal in Bormes les Mimosas am Südhang des Maurenmassivs, nicht weit vom Meer bei Le Lavandou. ein besonderes Genußerlebnis. Gefüllte Gläser, Tiegel, Teller und Tische an und in einem Haus mitten im Ort. Sehr malerisch gelegen mit engverschachtelten Häusern und steilen Treppen ist Bormes durchaus ein "In-Dorf" geworden, mit schicken Restaurants und kleinen Mode- und Keramikläden. Doch was Jahrhunderte gewachsen ist, behält seinen Charakter, auch wenn es sich in der Saison an Markttagen drängelt...




Die letzte Station an der Küste und damit für diesen kleinen Trip soll Nizza sein. Da wird es schon sehr italienisch. Ich selbst kenne Nice leider nur von der Durchreise. Für mehr als ein kurzes Abfahren der Promenade des Anglais hat es nicht gereicht. Einmal auf der Rückreise im Jahre 1996 in Richtung Heimat, es war schon ein herbstlich kühler Tag Ende September, lockte das Wasser zu einem letzten Bad im Mittelmeer. Es ist ziemlich klar dort und schimmert in tiefem Türkis, es ist ja auch ein Kieselstrand. Das Foto unten zeigt die Stelle, es hatte die Nacht zuvor gestürmt.


Beim Wein sollte man in Nice unbedingt zu einem Bellet greifen. Diese kleine Appellation zieht sich oberhalb hinauf an den Abhängen der Seealpen. Bellet ist neben Chateau Grillet an der Nordrhone die kleinste AOC in Frankreichs mit nur einer Hand voll Erzeuger. Knapp 40 Hektar ergeben ca. 800 bis 1100 hl Wein.
Ich hab leider keinen hier, Bellets verlassen die Region eigentlich kaum. Der Großteil der ohnehin nicht großen Menge wird direkt von den Genießern vor Ort getrunken. Allerdings gab es mal einen Bellet bei einem schönen Abendessen vor einigen Jahren. Eingeladen hatte Claude Berdah-Fischer, die einige Jahre eine kleine Weinhandlung in Dortmund-Körne betrieb. Das Besondere: Claude stammt aus Nizza. Claude’s Weinhandlung war "ein Stück französische Lebensart, in dem kleinen Laden ging es stets mit mediterraner Leichtigkeit zu". Ein Bericht hier bei Genußbereit (klick).

Collet de Bovis 2003 rouge der Domaine du Fogolar, ein selten anzutreffender Genuß aus den Rebsorten Braquet und Folle Noire. Kein Blockbuster, sehr würzig, finessenreich...

Eine Möglichkeit, von dort die Provence zu verlassen, ist natürlich rüberzumachen, gen Italien, die ligurische Küste entlang. Zurück dann nach Deutschland durch die Poebene, mit einem Übernachtungs- und Genußstop im Piemont und/oder an einem der oberitalienischen Seen. Das haben wir 2007 mal gemacht.
Oder man bleibt noch im Lande, fährt direkt nach Norden und genießt ländliches Frankreich pur. In Richtung Grasse wird es schnell steil, eine Stadt mit verwinkelten Gassen, recht hügelig, natürlich bekannt als die Stadt der Düfte, als Stadt des Parfüms. Auf jeden Fall ab hier die legendäre N 85 nehmen, die Route Napoleon. Eine Traumstraße vom Mittelmeer bis hoch nach Grenoble in den alpinen Raum.


Der Korse nutzte die Marschroute, als er, von Elba kommend, am 1. März 1815 mit 1200 Mann an der französischen Küste landete und über Grasse, Digne, Sisteron und Gap bis nach Grenoble 335 Kilometer in einem siebentägigen Gewaltmarsch zurücklegte. Am 20. März 1815 zog er schon wieder als Kaiser in den Tuilerienpalast ein. Allerdings nur für hundert Tage, danach kam Waterloo. Die Geschichte endete bekanntlich auf St. Helena im Südatlantik.
Ich bin die Strecke in beide Richtungen öfter gefahren, mit unterschiedlichen Fahrzeugen, früher auch welche in durchaus kritischem Erhaltungszustand.

1990 unterwegs mit dem Strich 8:
Frühstück an der Route Napoleon


1994 mit dem Kadett B in Sisteron:
Das "Tor zur Provence" an der Route Napoleon

Für den Routier bietet die Route herrliche Ausblicke und Stationen. Auf der Strecke liegen Lavendelfelder, Weinberge und einer der größten und tiefsten Schluchten Europas, der Grand Canyon du Verdon, 21 Kilometer lang und bis zu 700 Meter tief. Allein das lohnt schon die Reise. Der Verdon fließt als grünes Band im Talgrund und mündet in den türkisfarbenen und erfrischenden Wassern des Lac de Sainte Croix. In dieser wenig touristisierten Ecke zwischen Provence und Hochgebirge geht es, auch kulinarisch, sehr angenehm zu.

Gibt es in der Hochprovence noch allerorten:
Ländlich-rustikale Gastlichkeit, hier aufgenommen
in Laragne-Monteglin 2007

Bei Sisteron, dem "Porte de la Provence" mit seinem spektakulären Felsdurchbruch der Durance, nimmt die meditterrane Anmutung dann ab, stattdessen genießt man quellklareBäche und spektakuläre Blicke in die Seitentäler mit ihren schneebedeckten Gipfeln des Alpenhauptkamms. Architektur und Vegetation ändern sich und bevor man die Alpenmetropole Grenoble erreicht, bietet sich noch kurz vorher ein Halt direkt an der N85 am Lac du Petichet an. 

Weindeuter an der Route Napoleon: Lac de Petichet (2007).
Verkostet wurde ein roter Vin de Savoie aus der Rebsorte Gamay:
Erfrischender Genuß auf der Etappe

Zum Abschluß noch ein paar Buchtips. Immer noch ein Treffer ist der schöne Band "Provence, Küche Land und Leute" von Martina Meuth und Bernd Neuner-Duttenhofer (16,95 hier): Mit Liebe und Leidenschaft geschriebene und fotografierte kulinarische Reportagen.
Für Weinkrimifreunde zwei Titel, die in der Provence spielen, beides leichte Kost: Peter Mayles "Ein guter Jahrgang" und Michel Böcklers "Sterben wie Gott in Frankreich".
Zwar ohne Wein, dafür für mich immer noch die schönste Erzählung zur Provence ist Marcel Pagnols autobiographische Romantrilogie "Souvenirs d’enfance / Eine Kindheit in der Provence", verfilmt als "Der Ruhm meines Vaters" und "Das Schloß meiner Mutter".


10.08.2013

Genußtour ins Midi (3) Der Lange Hund...



Passend zum Sommer: Eine Genußtour das Rhonetal hinunter ins Midi. In diesem Jahr leider nur virtuell, ein anderes Ziel steht auf der Reiseagenda. Darum ist auch der dritte Teil ein (wein)genußreiches Puzzle, zusammengesetzt aus Reisen der letzten Jahre.

Nach einem Aufenthalt in Lyon (klick) und einer Fahrt die Rhone herunter (klick), müssen wir uns jetzt entscheiden, ob es von der Autoroute du Soleil nach Westen oder nach Osten gehen soll. Es ist die Entscheidung zwischen Provence und Languedoc. In den letzten Jahren habe ich mich immer mehr für die Provence entschieden. Deshalb soll es jetzt zuerst einmal in das vor allem jenseits der Küstenebene immer noch wilde und dünnbesiedelte Languedoc gehen. Und eines ist gleich sonnenklar - egal ob man der A9, der Languedocienne, folgt oder die kurvigen Landstraßen befährt: Es geht unübersehbar durch den Wein.

Vom rechten Ufer der Rhône bis an den Fuß der Pyrenäen reicht das größte zusammenhängende Weinanbaugebiet der Welt mit mehr Ausstoß als Bordeaux, Australien, Südafrika und Chile zusammengenommen. Ein beträchtlicher Teil der europäischen Weinüberschußproduktion wird hier Jahr für Jahr eingefahren und gekeltert. Die Masse stammt von Rebstöcken in den Ebenen, die in den sonnensatten Sommern kräftig tragen, verarbeitet von Genossenschaften und großen Weinkonzernen. Ein Weinsee, den in dieser Menge niemand braucht, den keiner leertrinken kann.


Kein Benzintanker, hier wird Wein transportiert

Die Weinbauern dort haben seit 100 Jahren den täglichen Weinkonsum der Franzosen sichergestellt und damit einen verdienstvollen Beitrag zur Ernährung der Bevölkerung in den industriellen Zentren des Nordens geleistet. Seit 30 Jahren ist die Massenerzeugung aber in der Krise. Seit Jahren wird deshalb großflächiger Rückbau betrieben, die Bestockungsrechte werden reduziert. Nicht einfach, weil der Rebbau nach wie vor ein wichtiger Beschäftigungssektor im Süden ist. Die Weinbauern sind eine einflußreiche soziale Kraft, die auch auf eine lange Reihe militanter Proteste zurückblicken kann. Da werden auch schon mal in Supermärkten die Regale mit Überseewein geplündert.

Während viele kleinere Winzer auf Klasse statt Masse setzen und mittlerweile jede Menge gesuchte (Kult)weine produzieren, die mehr oder weniger problemlos nachgefragt werden, müssen sich die Massenerzeuger etwas einfallen lassen. Heraus kommen natürlich bestenfalls Weine, die keinen besonderen Terroiranspruch haben, die Zielgruppe sind hier auch gar nicht die "Weintheoretiker". Hier mal ein schönes Beispiel zu dem man sagen muß: Alles richtig gemacht. Originelle Aufmachung, Schraubverschluß, frische, saubere, nicht übertriebene Fruchtaromatik, Alkoholgehalt moderat.


Topidee: Der lange Hund


Einen Ausweg mit viel Marketing läuft auch seit 2006 unter dem Label Sud de France. Es wird staatlicherseits versucht, eine für den Konsumenten griffige Dachmarke für Wein aus dem Midi zu schaffen, flankiert durch lokale Kulinarikprodukte.

Eine andere Liga sind natürlich die schon erwähnten individuellen Winzer. Sie haben die Anfang der achtziger Jahre einsetzende Languedoc - Qualitätsoffensive getragen. Die Trendsetzer waren Um- und Einsteiger, Tüftler, Individualisten. Rebflächen, vor allem an den schwer zu bearbeitenden Hängen mit kargen flachgründigen Oberböden, konnten günstig übernommen werden. Die Umbaudynamik hält bis heute an, immer noch erfüllen sich hier Newcomer ihren Winzertraum. Exemplarisch sei hier nur die Domaine Virgile Joly aus Saint Saturnin am Herault genannt. Die (Gründungs)geschichte und damit auch viel über das Winzerleben im Languedoc ist in einem schönen Buch von Patrick Moon beschrieben: "Virgile's Vineyard: A Year in the Languedoc Wine Country" (klick).





Trendsetzer für alle war natürlich Aimé Guibert mit seinem Daumas Gassac in Aniane. 1978 war der erste Jahrgang, der auf Mas de Daumas Gassac produziert wurde, unter Beratung des damaligen "Star-Oenologen" Emile Peynaud aus Bordeaux, einer Art Vorgänger von Michel Rolland. Anfang der 80er begann die Weinszene auf Daumas Gassac aufmerksam zu werden. Gutes Marketing kam dazu, zudem der Nimbus des Newcomers aus einer Underdog-Region. Der Gault Millau titulierte den Gassac gar als „Lafite des Südens". Wie auch immer, alles was aus dem Languedoc danach kam und kommt, steht durchaus auf den Schultern von Aimé Guibert.
Der ist übrigens bis heute ein kantig-knorriger Streiter für den Wein als regional verankertes Naturprodukt. Im Jahr 2000 erlangte Aniane Bekanntheit, als die Mondavis hier ein Weingut etablieren wollten. In der Bevölkerung formierte sich Widerstand, die Kalifornier zogen sich zurück. Anzuschauen ist das in Jonathan Nossiter herrlicher Dokumentation Mondovino. Gleich am Anfang gibt es da ein Interview mit einem grantelnden Aimé Guibert: "le vin est mort..." Der Trailer bei you-tube hier (klick).
Ein Großteil (80%) der Weinberge ist mit alten, ungeclonten Cabernets bepflanzt - diese inzwischen schon 40 Jahre alten Reben erzeugen auf natürliche Weise nicht mehr als 35hl/ha. Daneben gibt es Parzellen mit Malbec, Merlot, Cabernet Franc, Syrah und vielen weiteren Rebsorten. Das Mikroklima ist kühl inmitten des heißen Languedoc, angestrebt wird nicht der opulent-fruchtige Stil, man setzt eher auf Feinheit und Komplexität. Die Weine gelten als sehr gut lagerfähig.





Ganz in der Nähe von Aniane, im schon eben erwähnten Saint Saturnin, habe ich 1996 mal zwei Wochen verbracht. Das liegt bei Clermont l ´Herault schon an den südlichen Ausläufern der Cevennen. Es war Ende September, die Ernte war im vollen Gange. Laute Lesemaschinen sausten durch die Reben, Trecker mit großen Anhängern transportierten die Trauben tonnenweise über die kurvigen Landstraßen. Ein Geruch von Most war in der Luft.

Das Haus lag mitten im Dorf, ganz eng und verwinkelt, dreimal so hoch wie breit, die Rückfront war Teil der Rempart, der alten Ringbefestigung des Dorfes. Das Dach war teilweise für eine Terrasse geöffnet. Von da hatte man einen schönen Blick auf die Rundschindeldächer, um den quadratischen Kirchturm mit seinem offenen Glockengestell zirkelten die Mauersegler. In der Ferne lag die weite weinsatte Ebene. Auf der funkelten am Abend die Lichter der umliegenden Dörfer, am Himmel stand der Orion, im Ohr das Brüllen der Zikaden...
Am Horizont nach Süden hin eine kleine Berglinie, kurz dahinter begann schon die Küste bei der Hafenstadt Sete.



Es ist eine großartige Stadt, praktisch an allen Seiten vom Wasser umgeben. Auffallend der charakteristischen Hügel, der Mont St. Clair. Es ist die Geburts- und Heimatstadt von Georges Brassens, dem großen Poeten und Sänger. Der hatte sich ja in einem Chanson gewünscht, am Strand von Sète begraben zu werden ("Supplique pour être enterré à la plage de Sète"). An seinem wirklichen Grab, nicht auf dem Cimetiére Marin, sondern auf dem für die Armen der Stadt, direkt am Etang de Thau, sind wir damals auch gewesen.




Ansonsten gab es Fahrten in das wildromantische Hinterland, zu den Cirques des Navarcelles, an den Lac du Salagou und zum Pont du Diable am Herault, wo man gut im Fluß baden konnte.
Weine kamen hauptsächlich von der örtlichen Cave Cooperative ins Glas. So war das damals, man trank ortsverbunden von den Genossen. Die hatten als Spitzenwein den Seigneur des Deux Vierges, den gibt es immer noch. Nichts Anzügliches zuvörderst: Der Wein ist benannt nach dem charakteristischen Fels hinter dem Dorf, dem Roc des Deux Vierges. Da sollen tatsächlich mal zwei Jungfrauen gelebt haben, um näher am Himmel beim lieben Gott zu sein. Meistverkaufter Wein der Genossen ist allerdings der Vin d'Une Nuit. Wiederum ein poetischer Name. Der ist mir sogar mal ein paar Jahre später im Sortiment des kleinen Einkaufsladen im Camping Vliegenbos in Amsterdam begegnet. Natürlich, denn zum Gras gehört nunmal auch ein unkomplizierter, süffiger Roter.


Blick auf Saint Saturnin mit dem Roc des Deux Vierges
im Hintergrund. In Gegenrichtung geht es nach Jonquières

Bekannte Qualitätsnester um Saint Saturnin herum sind, neben Aniane, auch Montpeyroux und Jonquières. Aus diesem kleinen Dorf kommt ein Prägender für die Region: Olivier Jullien. Mit seinem Mas Jullien hat er ähnliche Schrittmacherfunktion wie z. Bsp. Gauby im Roussillon.

Die bekannten Languedoc - Gebiete Minervois, St.Chinian und Faugeres liegen etwas weiter westlich. Die kenne ich durch sommerliche Touren. Im Minervois haben wir 2005 mal ein rustikales Ferienhaus gemietet und ringsum einige Weingüter besucht. Ergebnis und Höhepunkt war eine Verkostung einiger Spitzen. So läßt es sich gut aushalten im sonnigen Süden.




Probe im Minervois, auch am Grill sollte
immer eine große Auswahl vorrätig sein.



Auch ein Besuch in Carcassonne stand auf dem Programm. Ein faszinierender Ort, aber in der Saison leider total überlaufen. Zum ersten Mal war ich dort 1994 auf einer Tour mit einem kleinen roten Kadett. Der kleine Bochumer zog unermüdlich seine Kreise auf seiner letzten großen Fahrt. In Lourdes empfing er durch Heiliges Wasser auch den Segen der Gottesmutter (klick hier).
Da schien mir der Anblick der Mauern und Zinnen der mittelalterlichen Stadt wie eine Filmkulisse, hatte etwas Unwirkliches.




Südlich schließt sich das Corbieres an. Wildromantisch, dünnbesiedelt, Heimat der Wildschweine, die sich in der heißen Strauchheide tummeln. Auch dort jede Menge interessante, individuelle Winzer. Am Nordrand der Corbieres liegt zudem Limoux mit seinen Weißweinen und Schäumern.

Zu Füßen der Pyrenäen schließlich das Roussillon. Die Weine der AOC Roussillon sind eine Klasse für sich. Hier werkeln viele Genossenschaften. Aber auch eine Riege von sehr individuell-handwerklich arbeitenden Weintüftlern. Ein Qualitätspionier und immer noch Schrittmacher für die Weine des Roussillon weltweit ist Gérard Gauby in Calce. Gauby war nie Routinewinzer, sondern ein Suchender, ein Experimentator. Er hat komplett auf biodynamischen Anbau umgestellt. Die Aromatik seiner Weine geht seit einigen Jahren weg von Überkonzentration, Holz und süßem Schmelz. Sein Flagschiff Muntada setzte preislich für die Region Maßstäbe nach oben und brachte trotz mächtiger Konzentration auch Feinheit und Frische ins Glas.




Gerade in letzter Zeit machen dort ein paar neue Namen von sich reden. Immer wieder auch Quereinsteiger, wie die Domaine des Enfant (klick) mit absolut ausgereizten Qualitäten.
Der Schweizer Marcel Bühler kommt aus dem Finanzbereich, er und sein Team gehen fundamentalistisch und kompromißlos an die Sache heran. Statt von Kapitalanlage ist hier von "Selbstwerdung" die Rede. Zitat aus der Homepage: "Die Gründung der Domaine des Enfants entstand als Antwort auf eine persönliche Sinnkrise. Die Realisierung eines Traumes: Selbstwerdung, im Einklang mit sich selbst, anderen und der Natur zu sein. Dementsprechend sind unsere Weine das Resultat unseres Arbeitens in und mit der Natur. Die Liebe und Energie, die wir in die Pflege dieser kraftvollen und aussergewöhnlichen Rebstöcke investieren, gibt uns Ruhe und Zufriedenheit. Zu beobachten, wie diese genügsamen Pflanzen unter unserer Fürsorge erstarken und gedeihen, ist Belohnung und erfüllt uns mit Stolz. Mit unserer Arbeit wollen wir unsere Kreativität ausleben und etwas ausserordentliches Erschaffen, was uns und anderen Menschen Freude bereitet, sie einander und sich selbst näher bringt. Wir hoffen, mit unseren Weinen, unseren Ideen und Vorstellungen immer wieder neue Menschen anzusprechen und vielleicht auch zu berühren."
Das Ganze ist sehr ambitioniert, dazu passt die Preisgestaltung. Schon der Einstiegsrote kostet 24 € und liegt damit im Bereich sehr guter Crus von der südlichen Rhone:



Auch die Domaine Horizon fällt in diese Kategorie. Thomas Teibert ist ein barock-salopper Typ mit roter Hose und Hosenträger und macht Wein im Hinterland von Perpignan. Es fallen schon rein äußerlich Ähnlichkeiten mit Gerard Gauby auf. Und tatsächlich gibt es eine, sogar sehr enge Verbindung: Teibert und die Tochter von Gauby haben ein gemeinsames Kind. Nun, die Teibertschen Reben haben Meerblick, deshalb der "Horizont." Preislich sind die Weine nicht schüchtern kalkuliert, schon der rote Einsteiger Esprit de l ´Horizon kostet 19,50€. Für den Domaine de l ´Horizon werden 33€ fällig. Beide sind aber top, der neue Südstil ohne Überkonzentration, delikate Frucht, trotzdem natürlich genug satte Sinnlichkeit und Schmelz, sehr gut.



Eine Neuwinzerin in diesem Sinne ist auch Katie Jones. Die Engländerin war 17 Jahre für Weinexport und Marketing der großen Mont-Tauch Kooperative zuständig. Die kontrolliert mehr als 50% der gesamten Produktion der gesamten AOC Fitou: 15 Millionen Flaschen Wein per Annum! Weinbauern, die ihren Rebberg aufgeben wollen oder altersbedingt müssen, gibt es da natürlich immer wieder. Bei 2.7 Hektar, ganz in der Nähe der alten Katahrerfestung Queribus, griff Katie Jones zu. Die Parzellen waren nämlich bestockt mit bis zu 70 Jahre alten Grenachereben. Katie gab ihren sicheren Job im Sommer 2009 auf, im Herbst arbeitete die Domaine Jones schon an ihrem ersten Jahrgang. Dabei stellte sich heraus, daß nicht alle angelieferten Trauben rot waren, in den Parzellen wuchs auch Grenache Gris und eine sehr kleine Menge Muscat.



Als wüchsen die Mauern aus dem Fels: 
Peyrepertuse, die größte Festungsanlage der Katharer




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